Geschrieben von Andreas BräutigamDann sind Deine Erfahrungen aber VÖLLIG anders als meine (nach 4,5 Jahren als Jugendhauptschöffe). Ob ich da den Daumen wohin zeigen lasse oder mir in die Nase stecke, hätte (bis auf einen einzigen Fall) niemals irgendeine Bedeutung gehabt.
Donnerwetter, wir haben aber Dinge drauf, hi
Erstens: Die Jugendgerichtsbarkeit hat eine ganz andere Aufgabe als die der Strafkammern.
Bei den Jugendgerichtskammern steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund, bei der "normalen" Strafkammern die Wahrung/Wiederherstellung des sogenannten Rechtsfriedens.
Was aber bei beiden Gerichten gleich ist, das ist die "eine Stimme" mit der Urteile gefällt werden, egal, wie sehr man in der Beratung diskutiert hat.
Nebenbei ist das, was in der Beratungskammer besprochen wird geheim, das sogenannte Beratungsgeheimnis.
(Ich mache jetzt mal bewusst einen Schwenk, um ein klein wenig das Wesen der Schöffentätigkeit für diejenigen dar zustellen, die ihre Kenntnisse nur von der "Salisch" (Etwas, wo die Richter recht ungehalten drüber sind!) kennen.
Ein Schöffe ist ein Richter - mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten. Es ist absolut möglich, dass in einer kleinen Kammer, in der ich dieses Jahr bin, zwei Schöffen einen Berufsrichter überstimmen können. Passiert sehr selten, kommt aber vor)
Mit gleichen Rechten, da fallen mir ad hoch zwei Ausnahmen ein: Er kann keine Verhaftung durchführen und er darf nicht selber ermitteln.
Die Historie der Schöffen geht bis zu den Germanen zurück, wo einfache und ehrsame Männer in den "Tings" über das Wohl und Wehe des Beschuldigten entschieden.
Das aber hat sich bis heute nicht geändert, ein Schöffe muss unbestraft sein und er muss, hier bin ich mir nicht ganz sicher, mindest 25 Jahre als sein.
Er soll über Lebenserfahrung verfügen, um dem Richter, der ja selten weiß, wie ein Maurer oder wer auch immer "tickt"-zu unterstützen.
Das ist etwas vereinfacht dargestellt, soll aber langen.
Er darf kein Mitglied der Rechtspflege (z.B. Polizeibeamter) sein.
Schöffendienst ist ein Ehrenamt, dem man sich nur in sehr engen begründeten Fällen entziehen kann (Ich habe mich da drum beworben). Der Schöffe wird von der Gemeinde vorgeschlagen und geht dann durch ein geheimes Wahlverfahren.
Das Problem ist, dass jeder Schöffe sich sehr genau im Klaren sein muss, dass er über Schicksale entscheidet, Existenzen retten kann oder auch vernichten..
Natürlich ist ein Schöffe nicht frei von Emotionen und das ist die größte Gefahr.
Kennt er die Geschichte bereits aus der Zeitung (Was verhandelt wird erfährt er immer frühstens in der Beratungsstube vor der Verhandlung), dann muss er das ganz schnell vergessen und sich die Geschichte von Anfang an anhören und am Ende urteilen.
Sympatien DÜRFEN keine Rolle spielen, es zählen nur die Fakten.
Jetzt gibt es das berühmte "in dubio pro reo" (Im Zweifel für den Angeklagten)
Ein großer Irrtum ist es, zu glauben, dass ein Beweis nicht 100/100 erbracht sei (Die berühmt/berüchtigten Indizienprozesse) und deshalb eine Verurteilungn nicht erfolgen könne.
Sie kann sehr wohl, wenn nach Überzeugung des Gerichtes die Indizien langen.
Nur, damit wird eine Kammer es sich sehr schwer tun, denn ein Urteil muss revisionsfest sein.
Revision: Hier wird ein Urteil auf prozessuale Fehler überprüft - und zwar ohne weitere Verhandlung, im Gegensatz zur Berufung (das, was in meiner derzeitigen Kammer hauptsächlich abläuft)
Hier entscheidet eine höhrere Instanz nach Aktenlage.
In der Berufung werden alle Zeugen und der Angeklagte noch einmal angehört und die Sache noch einmal beurteilt.
Auch das kommt seltsamerweise in den Fernsehsendungen oftmals völlig falsch rüber.
Ich, für mich ganz persönlich kann nur versichern, dass ich es mir sehr schwer mache, zu einem Urteil zu kommen - und, ohne das Beratungsgeheimnis zu brechen teilweise heftige Debatten liefere, pro oder contra.
Wie schwer das ist, folgendes Beispiel: Etwa 75 Prozent (wenn, nicht noch mehr) sind BTM-Geschichten (Drogen).
Da ich vom Rettungsdienst das Elend der Drogenkranken kenne und natürlich einen Heidenhass auf Drogendealer habe gehe ich da ganz anders ran, als ein Schöffe/eine Schöffin, die diese Dinge nur aus der Zeitung kennt.
Aber dafür sind wir ja in der kleinen Kammer drei Leute, die das beurteilen.
Ich bin jetzt im achten Jahr, kann und will auch nicht mehr als Schöffe dienen.
Bezogen auf meine vorherige Aussage, dass ich bei Geschichten wie das "auf einen Schutzmann zufahren" hart debattieren würde, das ist eben ein Teil meiner beruflicher Erfahrung - und genau das ist gewollt.
Es wird oftmals behautet, die Gerichte würden zu lasch urteilen, es ist richtig, dass man in den Urteilen in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle (für das ich keine Erklärung habe!) feststellen kann, aber das liegt eben an den Menschen, die dort als Richter fungieren.
Nur eine kleine Abschlussgeschichte: Im letzten Jahr war ich bei einer Richterin, eine sehr charmante, sehr liebe Frau, die uns z.B. in der Beratungspause immer mit Getränken versorgte.
Wir hatten (das ist jetzt aus dem öffentlichen Teil!) einen Drogendealer, der uns was vorjammerte, dass man fast in Tränen ausbrechen wollte.
Die Richterin: "SIE haben die Tat begangen, SIE und nicht WIR sind dafür verantwortlich und SIE haben die Folgen zu tragen! Sie müssen hier kleine Brötchen backen und uns nicht veralbern!"
Nun denn,
vielleicht etwas Off Topic, aber sicherlich nicht uninteressant.
Ich las mal in einem Buch einen Spruch, der sich mir eingeprägt hat;"Wehe dem, der wehe tut!" Hat sich mir eingeprägt!
Und vielleicht noch eine abschließende Bemerkung: Die Sache mit der Sozialprognose: Hier geht es primär um die Frage, ob jemand sich von dem Verfahren so beeindrucken lässt, dass man davon ausgehen kann, er reißt sich in der Zukunft am Riemen.
Was ich hasse, das sind die Leute, die mit hängender Unterlippe versichern, wie Leid es ihnen tut.
Man schaut in die Augen und man weiß, der Kerl lügt!
Oder aber man merkt, da sitzt so ein armer Teufel, der einmal Mist gebaut hat und jetzt gar nicht weiß, was mit ihm passiert.
Und dann, so meine Erfahrung ist jedes Gericht bereit, ihm eine goldene Brücke zu bauen.
Einen Gedanken gibt es nicht in der deutschen Rechtsfindung: Den der Rache. Sühne ist etwas anderes als Rache
Noch schnell die Frge des Unterschiedes wzischen einem Amtgsgericht und einem Landgericht (wir sind hier bei der StPo):
Ein Amtsgericht verhandelt Fälle, die maximal mit vier jahren Gefängnis bedroht sind, das Landgericht alles drüber.
Das Schwurgericht ist beimLandgericht angesiedelt und verhandelt Fälle, die gegen Leib und Leben begangen wurden.
(Mordprozesse werden immer im Schwurgericht verhandelt)
Und wer das Pech hat, dort als Schöffe zu sitzen sollte besser keine Urlaubspläne machen, Verfahrensende immer offen..
Gruß
Klaus
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